
Diese kesse Gegenfrage habe ich schon öfters gestellt, wenn mir Berufskolleginnen schwärmend davon erzählten, wie schön es wäre, mal einen männlichen Kollegen im Team zu haben. Und damit sind sie meist nicht alleine! Eine repräsentative Studie des DELTA-Instituts für Sozial- und Ökologieforschung zeigt, dass von allen Kita-Fachkräften 98 % der Auffassung sind, dass es (viel) mehr Männer in Kindergärten geben sollte.
» […]…Männer haben’s schwer, nehmen’s leicht
– Herbert Groenemeyer
Außen hart und innen ganz weich
Werd’n als Kind schon auf Mann geeicht
Wann ist ein Mann ein Mann?. …[…] «
Männer (ohne zu pauschalisieren) sehen sich häufig, sowohl mit einer geschlechterspezifischen Idealvorstellung, als auch nicht selten mit diskriminierenden Verdächtigungen bzw. Generalverdacht konfrontiert. Ein Disclaimer an dieser Stelle vorweg: Jeder Einzelfall, in dem Kinder durch männliche Berufskollegen sexuelle Gewalt erlebt haben, ist beschämend, unentschuldbar und die Verantwortlichen gehören zur Rechenschaft gezogen. Dennoch sollte niemand aufgrund seines Geschlechts diskriminiert werden.
Bundesweit wurden in den letzten Jahren mehrere Kampagnen initiiert, damit es mehr männliche Erzieher in den Kitas gibt. Laut dem Fachkräftebarometer für frühe Bildung ist dies auch sichtlich zunehmend erfolgreich. 47.695 Männer waren im Jahr 2020 in Kindertageseinrichtungen tätig. Ihre Anzahl hat sich seit 2010 mehr als verdoppelt. Der Anteil der männlichen Beschäftigten im pädagogischen Bereich ist somit von 3 % auf über 7 % gestiegen. Im Vergleich mit den 93 % weiblichen Pädagoginnen natürlich immer noch verschwindend gering.
In meiner langjährigen Berufserfahrung habe ich einige persönliche Erfahrungen in meiner beruflichen Geschlechterrolle machen dürfen. Dabei waren einige weniger brisant bzw. irritierender als andere. Angefangen bei unbewussten Geschlechterklischees alla „Kannst du mir mal eben die schweren Tische aus dem Keller tragen“ bis hin zu einem diskriminierenden Erlebnis: „Wir möchten nicht, dass ER unsere Tochter wickelt“. Dies glücklicherweise auch nur ein einziges Mal in fast 15 Jahren Berufstätigkeit – dennoch war hier ehrlich gesagt bereits einmal, einmal zu viel! Auch bin ich froh, dass es an dieser Stelle nicht nur Rückhalt von Kolleginnen, Leitung und Träger gab, sondern auch klare Vorgehensweisen gab, um transparent auf besagte Eltern zuzugehen und die Situation für alle Beteiligten wohlwollend zu bereinigen. Rückblickend betrachtet habe ich jedoch auch mit Schrecken festgestellt, wie mich und meine Arbeit diese damaligen Aussagen beeinflusst haben. Sodass es all meine berufliche Professionalität erforderte, auch weiterhin wohlwollend im Kontakt mit den Eltern zu bleiben sowie die Beziehungsarbeit zum Kind nicht abreißen zu lassen.



Neben diesem einen massiven Beispiel gab es auch weitere, weitaus harmlosere Erlebnisse. So hatte ich beispielsweise als Berufsanfänger häufiger das Gefühl, dass ich einer Art „Welpenschutz“ unterlag. „Oh, der nette junge Mann, der mit den Kindern spielt.“ Darüber hinaus musste ich meine älteren Berufskolleginnen gefühlt auch erst einmal davon überzeugen, dass der junge Mann auch pädagogisch etwas auf dem Kasten hat. Auch durfte ich mich an den prüfenden Gesichtsausdruck manch einer Mutter gewöhnen, wenn ich sie während eines Aufnahmegespräch über den Verlauf ihrer Schwangerschaft befragte. Was die Elternarbeit anging, hatte ich meist das Gefühl, dass Mütter keine Berührungsängste mit einem männlichen Pädagogen zu haben schienen. Anders sah das, merkwürdiger Weise und allen Versuchen, mich als Initiator eines Väter-Aktionstages einzuspannen zum Trotz, bei den Vätern aus. So hatte ich hier im Beziehungsaufbau häufiger das Gefühl, abschätzend gemustert und erst nach geraumer Zeit akzeptiert und „für gut befunden“ zu werden. Dann in der Regel jedoch soweit, dass mir meist ein kumpelhaftes „DU“ angeboten und ich auf ein Bier eingeladen wurde.
Was die Arbeit in gemischten Teams angeht, ist für mich klar, dass geschlechtliche Geleichstellung bzw. Gleichwertigkeit nicht zu diskutieren ist! Was ich jedoch gleichzeitig nicht gleichsetze mit Gender-Gleichheit (sorry für das viele „GLEICH“). Männer und Frauen unterscheiden sich. Und das nicht nur auf biologischer Ebene. Ich als Mann habe evtl. eine tiefere Tonalität in der Stimme, welche in Konfliktsituationen eine bestimmte Wirkung erzeugen kann. Ich als Mann, lasse mich von wildem, körperbetontem Spiel der Kinder vielleicht anders mitreißen, als meine Berufskolleginnen. Ich als Mann, kann fremdaggressives Verhalten von Kindern anders begegnen, als das für Kolleginnen evtl. von Fall zu Fall möglich ist. Ich als Mann, schätze eine lösungsorientierte und transparente Kommunikation ebenso sehr, wie ich großen Wert darauf lege, dass klare Aufgabenverteilungen und personelle Strukturen vorhanden sind, an denen ich mich orientieren kann.
„Gute, genderbewusste Pädagogik braucht in meinen Augen professionelle Kompetenzen und einen verantwortlichen Umgang mit evtl. aufkommender Chancen sowie auch Herausforderungen von gemischten Teams.„
Dabei steht der Schutz der Kinder vor jedweder Gewalt, deren Unversehrtheit und bestmögliche Entwicklungsbegleitung an erster und oberster Stelle! Darum, sollte neben einem sexualpädagogischen- auch ein Kinderschutzkonzept gelebt und immer wieder evaluiert werden. Hier ist für mich eine professionelle Auseinandersetzung mit der kindlichen Sexualentwicklung genauso wichtig, wie der generelle Umgang mit Nähe und Distanz. Was ist professionelle Körperlichkeit und wo, in welchem Maße gehört sie zur pädagogischen Arbeit dazu? Welche Berührungen sind wann und wo beispielsweise (un)angemessen?!
Themen wie Generalverdacht dürfen nicht länger eine Unsicherheit und Sprachlosigkeit auf allen Ebenen auslösen. Dafür braucht es klar festgeschriebene Verfahren, wie auf geäußerte Verdachtsfälle reagiert wird. Wer reagiert beispielsweise wie darauf, wenn Eltern versuchen, männlichen Erziehern körpernahe Tätigkeiten zu verbieten? Gibt es Ansprechpartner*innen für männliche Erzieher in konkreten Fällen?